Martina Werner, MdEP zu Besuch bei Arbeit und Bildung e.V.

Ohne EU wäre die Integration in Arbeit nicht so weit gekommen

Knapp die Hälfte aller Fördergelder beim Marburger Bildungs- und Sozialverein Arbeit und Bildung e.V. kommen von der EU. Martina Werner, Mitglied des Europaparlaments der SPD, will wissen, was gut läuft und was weniger.

Als einer der fünf größten Sozialbetriebe im Landkreis Marburg-Biedenkopf setzt Arbeit und Bildung e.V. wahrscheinlich die meisten Fördergelder der EU (46 % aller Auftragsvergaben) für seine Klienten ein. Davon profitieren ca. 1.500 Menschen jährlich, berichtet der Geschäftsführer von Arbeit und Bildung e.V. Rainer Dolle der Europaabgeordneten Martina Werner bei ihrem Besuch am vergangenen Montag. Da sind Geflüchtete, die eine erste Orientierung erhalten, die beraten und in Arbeit vermittelt werden (Erstorientierungskurse, BLEIB in Hessen II, BAMF-Integrationskurse), junge Menschen, bei denen ein Ausbildungsabbruch droht (QuABB) oder Schüler und Schülerinnen, die nicht allein den Übergang von Schule und Beruf schaffen (PuSch Praxis und Schule), Ratsuchende für eine Bildungsberatung auf dem Land (Plan to go) und nicht zuletzt die vielen jungen Menschen, die gestärkt aus unseren europäischen Austauschprogrammen zurückkommen (Mobilitätszentralen und Europe4U).

„In den 80er Jahren wurden Aufträge an uns lediglich von der Arbeitsverwaltung und der Kommune vergeben und dann war Schluss“, so Rainer Dolle. „Mit der EU kam das Partnerschaftsprinzip und die Aufwertung der Sozialwirtschaft. Das ist ganz klar der Verdienst der EU, worüber wir sehr dankbar sind“ erklärt der Geschäftsführer. „Ohne die Förderungen u.a. über den Europäischen Sozialfonds wäre die Entwicklung der Arbeitsmarktintegration unserer Klienten nicht so weit gekommen“ ergänzt Angelika Funk, stellvertretende Geschäftsführerin des Sozialvereins.

Allerdings gibt es auch Probleme, die in einem hohen Dokumentations- und Verwaltungsaufwand begründet sind und für ein Ungleichgewicht zur eigentlichen Arbeit mit den Klienten sorgt. Es bestehe eine große Diskrepanz von dem, was sich die Politik ursprünglich ausgedacht hat und dem, wie es über Koordinierungsstellen verwaltet und abgewickelt werde. Das bestätigen auch die spanischen Vertreterinnen des Kooperationspartners PROBENS: „Es werden nur Zahlen kontrolliert, nicht Qualität“.

Die aus Kassel stammende ehemalige Kommunalpolitikerin Martina Werner kann hier nur zustimmen: „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Verwaltungspraxis von EU-Projekten sehr komplex ist. Die zwischengeschalteten Verwaltungsstellen sind teuer, das muss mitfinanziert werden. Es könne aber nicht sein, dass die Verwaltung eigene Rahmenbedingungen festlegen, ohne diese mit Brüssel abzustimmen. Hier sollten wir Ideen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern durchsetzen, um Abläufe zu vereinfachen.“

Dieter Schulze, Präsident des europäischen REIN-Netzwerkes, das die europäische Zusammenarbeit von Sozialbetrieben unterstützt, sagt: „In unserer EU-Arbeitsgruppe haben wir einige Geschäftsleitende nach Brüssel gebracht, um in engem Kontakt mit den Zuständigen über unser Projekt zu sprechen. Das ist eine gute Möglichkeit, die Zusammenarbeit wieder zu stärken und fehlgesteuerte Umsetzungen zurückzumelden“.

 „Es werden häufig Jahre vorher Beratungszahlen festgelegt, die manchmal in der Realität nicht erreicht werden können. In Modellphasen ist es wichtig, etwas auszuprobieren. Innovativ sein heißt, auch mal irren zu dürfen, ohne Sorge haben zu müssen, dass finanzielle Mittel gekürzt werden. Hier wünschen wir uns mehr Flexibilität, um den Gegebenheiten gerecht zu werden“, meint Gerlind Jäckle, Geschäftsleiterin der Marburger Praxis GmbH.

Benachteiligte Menschen brauchen mehr Betreuung und Begleitung. „Besonders in diesen europakritischen Zeiten ist die Arbeit insbesondere in den Austauschprojekten sehr wichtig und wertvoll und sollte gerade auch für behinderte und benachteiligte Menschen noch mehr unterstützt werden“ so Angelika Funk stellvertretende Geschäftsführerin von Arbeit und Bildung e.V.

Martina Werner meint dazu: “Manche EU-Kritiker, die einen Austausch in ein europäisches Land durchgeführt haben, kommen als Befürworter wieder zurück. Es sollte Pflicht werden, eine Zeit lang im Ausland zu arbeiten“. Rainer Dolle weist darauf hin, dass so auch gut gegen rechtsextreme und ausländerfeindliche Orientierungen entgegengewirkt werden kann.

                     

Die Europaparlamentarierin der SPD Martina Werner (li.) informiert sich über die Arbeit der zahlreichen EU-Projekte bei Arbeit und Bildung e.V. Rechts: Rainer Dolle, Geschäftsführer von Arbeit und Bildung e.V